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Der Mann, der nicht an die Liebe glaubte - Miguel Ruiz
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- Kategorie: schöne Worte
- Erstellt: Mittwoch, 09. Oktober 2013 10:53
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Der Mann, der nicht an die Liebe glaubte
Ich möchte Dir eine sehr alte Geschichte über einen Mann erzählen, der nicht an die Liebe geglaubt hat. Er war ein ganz normaler Mann, wie Du und ich, aber was ihn besonders machte war seine Art zu denken: Er dachte, dass die Liebe nicht existieren würde. Natürlich hatte er zuvor lange Zeit versucht die Liebe zu finden. Er hat die Menschen um sich herum beobachtet und somit die meiste Zeit seines Lebens mit der Suche nach der Liebe verbracht, nur um danach festzustellen, dass es keine Liebe gibt.
Wo auch immer dieser Mann hinging versuchte er den Menschen zu erklären, dass die Liebe lediglich eine Erfindung von Poesie und Religion ist, um die schwachen Seelen der Menschen zu manipulieren und zu kontrollieren. Er sagte, dass die Liebe nicht real sei und man sie darum nicht finden könne, selbst wenn man nach ihr sucht.
Der Mann war sehr intelligent und konnte sehr überzeugend reden. Er war belesen, besuchte die besten Universitäten und wurde zu einem hoch angesehenen Wissenschaftler. Er konnte überall reden, vor jeder Art von Menschen, und seine Logik war sehr einnehmend. Was er vorrangig sagte war, dass die Liebe wie eine Droge sei: Sie lässt Dich glücklich sein, aber Du brauchst sie immer wieder. Aber was passiert, wenn Du tatsächlich abhängig bist von ihr und Du eben nicht Deine tägliche Dosis von Liebe bekommen kannst?
Er pflegte zu sagen, dass die Beziehung zweier Liebenden nichts weiter ist als die Beziehung zwischen der Droge und dem, der diese zur Verfügung stellt. Der, der das größte Verlangen danach hat ist der Abhängige; der mit dem kleineren Verlangen derjenige, der Liebe gibt. Dieser kotrolliert die Beziehung. Man könne diese Dynamik so genau erkennen weil normalerweise gibt es in einer Beziehung immer ein Partner, der der Liebe verfallen ist und einer viel weniger. Das führt dazu, dass derjenige Vorteile gewinnt, da der andere ihm sein Herz voll und ganz schenkt. Man kann sehen, wie sie sich gegenseitig manipulieren, durch ihre Handlungen und Reaktionen, genauso wie Abhängiger und Dealer.
Der Abhängige, derjenige mit dem größeren Bedarf, lebt immer mit der Angst, dass er vielleicht in Zukunft nicht in der Lage sein wird, seine nächste Liebes-Dosis zu bekommen. Er denkt: „Was passiert wenn sie mich verlässt?“ Dieser Gedanke macht den Abhängigen sehr beeinflussbar. Der Abhängige wird eifersüchtig. Der Dealer kann jederzeit denjenigen, der nach der Droge schmachtet beeinflussen und kontrollieren, indem er größere oder kleinere Dosen verteilt, oder auch gar keine. Derjenige, der in der Abhängigkeit ist, wird alles tun, dass er nicht verstoßen wird.
Der Mann aus unserer Geschichte wurde nicht müde, jedem den er traf zu erklären, dass die Liebe nicht existiere.
„Was Menschen „Liebe“ nennen ist nichts als Angst und Kontrolle. Wo ist der Respekt? Wo ist die Liebe, nach der sie alle streben? Es gibt keine Liebe! Junge Paare, im Angesicht Gottes und ihrer Familien und Freunde, machen sich so oft Versprechungen: Für immer zusammen leben, sich zu lieben und zu respektieren, füreinander einzustehen, in guten und schlechten Zeiten. Sie versprechen, sich zu lieben und zu ehren….und machen mehr und mehr Versprechungen. Was faszinierend ist, ist dass sie diese Versprechungen wirklich glauben. Für einige Zeit nach der Hochzeit, für einige Wochen oder Monate, halten diese Versprechungen. Dann gibt es einen Krieg um Kontolle, Manipulation, nur um festzustellen, wer der Dealer und wer der Abhängige ist. Nach einigen Monaten ist der Respekt, den sie sich einst versprochen haben, verschwunden. Man kann die Stagnation, das emotionale Gift, sehen, wie oft sie sich gegenseitig verletzten, bis sie nicht mehr wissen, wo die Liebe endet. Nichtsdestotrotz bleibe sie zusammen aus Angst alleine zu sein, aus Angst vor der Meinung und dem Gerede der Anderen, genauso wie aus Angst vor sich selbst. Aber wo ist die Liebe?“
Der Mann sagte oft, dass er viele alte Paare sehe, die seit 30 Jahren, 40 Jahren zusammen leben und stolz darauf sind. Aber wenn sie über sich selbst reden sagen sie „Wir haben die Ehe überlebt.“. Das heiße dann, dass einer den anderen übernimmt; ab einem bestimmten Zeitpunkt hat sie aufgegeben und beschlossen, dem Elend ein Ende zu machen. Derjenige mit dem stärksten Willen und der kleineren Abhängigkeit hat den Krieg gewonnen, aber wo ist das Feuer, dass sich Liebe nennt? Sie haben den anderen wie einen Besitz behandelt:
„Sie gehört mir.“
„Er gehört mir“
Der Mann sprach immer weiter über die Gründe, warum er glaube, dass es keine Liebe gebe und es anderen erzähle.
„Ich habe das alles bereits erlebt. Ich werde niemandem mehr erlauben, mich zu manipulieren und mein Leben wegen der Liebe zu kontrollieren.“
Seine Argumente waren sehr logisch und er hat viele überzeugt mit seinen Worten: Liebe existiert nicht!
Dann, eines Tages, lief der Mann durch einen Park, als er auf einer Bank eine wunderschöne Frau sah, die weinte. Sein Interesse war geweckt und er setzte sich neben sie als er sie fragte, ob er ihr helfen könne. Du kannst dir vorstellen, wie überrascht er war, als sie sagte, dass sie gerade erkannt hat, dass Liebe nicht existiert.
Er sagte: „Das ist unglaublich! Eine Frau, die glaubt dass Liebe nicht existiert.“
Natürlich wollte er mehr über sie erfahren.
„Warum meinst Du, dass es keine Liebe gibt?“ fragte er
„Nun ja, das ist eine lange Geschichte…“ antwortete sie
„Ich heiratete als ich noch sehr jung war, mit all der Liebe, all den Illusionen. Ich glaubte, ich würde mein ganzes Leben mit diesem Mann verbringen. Wir schworen einander Loyalität, Respekt und Ehre und gründeten eine Familie. Aber es sollte sich schon bald alles ändern. Ich war die abgestempelte Hausfrau, die sich um die Kinder und das Haus zu kümmern hatte. Mein Ehemann machte weiter Karriere. Sein Erfolg und sein Image außerhalb von zuhause waren wichtiger für ihn als die Familie. Er verlor den Respekt vor mir, und ich vor ihm. Wir verletzten einander immer wieder und dann kam der Punkt, an dem ich erkannte, dass ich ihn nicht mehr liebe, und er mich genauso wenig. Aber die Kinder brauchten einen Vater und das war der Grund, warum ich geblieben bin und ihn wo immer ich konnte unterstützt habe. Jetzt sind die Kinder erwachsen und sind fort von zuhause. Somit hatte ich keine Entschuldigung mehr dafür bei ihm zu bleiben. Da war kein Respekt, keine Freundlichkeit. Ich wusste, dass selbst wenn ich jemanden finden würde, es nicht anders werden würde. Es macht doch keinen Sinn, nach etwas zu suchen, das nicht existiert. Darum weine ich.
Der Mann verstand sie sehr gut.
Er umarmte sie und sagte: „Du hast Recht. Liebe gibt es nicht! Wir suchen nach Liebe, öffnen unser Herz, werden verwundbar. Aber am Ende ist alles, was wir finden, Stursinn. Das verletzt uns nur noch mehr, selbst wenn wir denken, dass wir niemals verletzt werden können. Es macht keinen Unterschied, wie oft wir es versuchen. Es passiert wieder und wieder. Warum also danach noch länger suchen?“
Sie waren sich gleich und wurden zu besten Freunden. Es war eine wunderbare Beziehung. Sie respektierten einander und vernachlässigten sich nie. Mit jedem Tag, den sie zusammen verbrachten, wurden sie glücklicher. Es gab keine Eifersucht, keine Kontrolle, keine Besessenheit. Die Beziehung wuchs und wuchs. Sie liebten es, Zeit zusammen zu verbringen, weil, wenn sie zusammen waren, eine Menge Spaß hatten. Wenn sie nicht zusammen waren, vermissten sie einander.
Als der Mann eines Tages außerhalb der Stadt war, hatte er einen verrückten Gedanken.
„Vielleicht ist das, was ich für sie empfinde, Liebe!“ dachte er „Aber es ist so anders als alles was ich je zuvor gefühlt habe. Es ist nicht das was die Poesie oder die Kirche erzählt, weil ich mich für sie nicht verantwortlich fühle. Ich begehre nichts von ihr, ich will nicht, dass sie sich um mich kümmert. Ich werde sie für nichts verantwortlich machen, was auch immer passiert noch lasse ich meinen Ärger an ihr aus. Wir hatten eine wundervolle Zeit zusammen und genießen es, zusammen zu sein. Ich respektiere, was sie denkt und sie blamiert mich nie. Ich fühle keine Eifersucht, wenn sie mit andern Leuten ausgeht. Ich fühle keinerlei Neid für ihren Erfolg. Vielleicht existiert Liebe doch. Aber vielleicht ist sie nicht das, für was sie alle halten.“
Er konnte es kaum erwarten nach Hause zu kommen um mit ihr zu reden, um ihr von diesem seltsamen Gedanken zu berichten. Als sie gerade angefangen hatten zu reden sagte sie: „Ich weiß was Du meinst. Ich hatte die selbe Idee lange zuvor, aber ich wollte nichts zu dir sagen weil ich weiß, dass Du nicht an die Liebe glaubst. Vielleicht gibt es die Liebe, aber ist nicht das, was wir glauben dass sie ist.“
Die Beiden entschieden sich, ein Paar zu werden und zusammen zu leben. Und es änderte sich nichts an all den wunderbaren Momenten. Sie respektierten sich noch genauso, unterstützten sich und die Liebe wuchs und wuchs. Selbst die einfachsten Dinge konnten sie glücklich machen.
Das Herz des Mannes quoll vor Liebe über, sodass er eines Nachts merkte, dass ein Wunder geschehen war. Er schaute in die Sterne und fand den schönsten aller Sterne. Seine Liebe war so stark, dass genau dieser Ster als Sternschnuppe vom Himmel direkt in seine Hände fiel. Dann passierte ein zweites Wunder: seine Seele verschmolz mit dem Stern. Er war sehr glücklich und konnte es wiederum kaum erwarten nach Hause zu kommen zu seiner Frau. Er legte den Stern in ihre Hände.
Gerade als er das gemacht hatte fühlte sie einen Augenblick Zweifel: die Liebe war zu überwältigend. Während dieser Gedanke in ihrem Kopf herumschwirrte fiel der Stern auf den Boden und zerbrach in Millionen Stücke.
Jetzt läuft ein alter Mann in dieser Welt herum, der schwört, dass die Liebe nicht existiert. Und es gibt eine alte, wunderschöne Frau, die auf einen Mann wartet, der ihre Tränen trocknet und ihr das Paradies schenkt, das sie einst in ihren Händen hielt, das sie aber für eine Sekunde des Zweifels gehen lassen hat.
Das war die Geschichte des Mannes, der nicht an die Liebe glaubte.
Wer hat aber den Fehler gemacht? Weißt Du, was schief gelaufen ist? Der Fehler lag beim Mann, weil er glaubte, der Frau sein Glück schenken zu können. Der Stern war sein Glück und sein Fehler war es, dieses in ihre Hände zu legen. Glück kommt niemals von außen. Er war glücklich, weil die Liebe von tief innen aus ihm kam. Sie war glücklich weil auch sie Liebe spürte. Aber sobald er sie für sein Glück verantwortlich machte, zerstörte sie den Stern, weil sie nicht für sein Glück verantwortlich sein kann.
Egal wie stark die Frau ihn lieben würde, könnte sie ihn niemals glücklich machen, da sie niemals wissen kann, was in seinem Kopf vorgeht. Sie kann niemals wissen, was seine Erwartungen sind, was seine Träume sind.
Wenn Du dein Glück in die Hände anderer legst wird es früher oder später zerstört werden. Wenn Du dein Glück auf die Schultern anderer legst kann es jederzeit weggetragen werden. Glück kann nur vom Inneren kommen und ist das Ergebnis deiner Liebe. Und dafür bist alleine Du verantwortlich. Wir können niemals einen anderen Menschen für unser Glück verantwortlich machen, aber wenn wir zur Kirche gehen um zu heiraten ist das erste was wir tun, die Ringe zu tauschen. Damit legen wir unseren Stern in die Hände des anderen in Erwartung, dass derjenige uns glücklich macht und Du denjenigen glücklich machst. Es ist egal wie stark Du jemanden liebst, Du wirst niemals das sein, was diese Person von dir erwartet.
Das ist der Fehler, den die meisten von uns von Anfang an begehen. Wir bauen unser Glück auf unserem Partner auf und das funktioniert nicht. Wir machen all diese Versprechungen die wir niemals halten können und verurteilen uns damit selbst zum scheitern.